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February 11, 2022

Inspiriert durch einen Nebensatz in Kim Stanley Robinson’s “Green Earth”.

Zugfahrt
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"Piep, piep, piep. Flupp!"
Tür zu. Durchatmen. Geschafft.
Sitz suchen, hinsetzen. Jacke auf, Mütze ab.
"Tuuut!"
Anfahrtsruckeln, -stocken, -ecken. "Klink, donk."
Weichenwechsel, Seitenwechsel. Sicht ist besser.
Große Häuser, rauschen, rauchen - in der Winterkälte.
"Klicka-klacka", "tick" und "whoosh", plötzlich aus der Häuserschlucht.
Noch ein Stückchen, Bäume nahen. Dann auf einmal Brückensicht.
Rauf die Rampe, hoch die Spur,
Freies gleiten wie im Flug.
Möwen gleich, über Wasser,
Graues Wogen untendrunter.
(Tempowechsel: nun wogend.)
Wallendes Wiegen, gleitende Geländer
Hinauf und hernieder, Bilder verschwimmen.
Der Blick sucht die Ferne, defokussiert.
Seufzen im Herzen, Sehnsucht nach vorn.
Die Tonlage steigt, ein Pfeifen beginnt.
Die Stadt nun verlassen, der Zugführer singt.
Fahrscheinkontrolle, alles in Ordnung.
Draußen sind ganze Kilometer verflossen.
Blick in den Wagen,
Tupfen grauer Hinterköpfe
Sanftes Raunen ferner Gespräche.
Nur wenige Plätze belegt,
Geschäftsreisende in Computer vertieft.
"Kaffee?", "Nein, danke." - selbst was dabei.
Muss sich angeschlichen haben,
Stand plötzlich da und grinste mich an.
Die Welt rückt in die Ferne,
Gedanken entgleiten,
Farben verschwimmen,
Töne gerinnen
- zu graugleichem Grundrauschen.
Hochspannungsleitung, im Rhythmus der Kabel:
"Tick-boing, tick-boing, tick-boing." Aus.
Unterbrochene Wellen, das Auge nun träge
Musikalischer Takt, doch kein Dirigent.
Gedanken jetzt innen, Augen auf Halbmast
Wie wird es sein, wenn diese Fahrt endet?
Wartet sie? Hadert sie? Bin ich allein?
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